825 Jahre Bieselsberg

|Friedrich Eschwey

Aus der Geschichte des Waldhufendorfes Bieselsberg ergeben sich zwei spannende Fragen. Warum hat sich Liebenzell zum weithin anerkannten Badeort entwickelt und nicht Bieselsberg? Gab es doch Zeiten wo 6000 Menschen auf einmal Heilung beim „Guten Bronnen“ von Bieselsberg suchten. Die andere Frage lautet: Warum war Schömberg rund 90 Jahre ein weltbekannter Lungenkurort und nicht Bieselsberg? Die Chancen standen Ende des 19. Jahrhunderts nicht schlecht. Doch greifen wir nicht zu weit vor bei der Betrachtung der Entwicklung des Dorfes auf der Enz-Nagold-Platte.

Das Waldhufendorf entsteht

Die Gründung Bieselsbergs vollzog sich im Wesentlichen so wie die der anderen 38 Waldhufendörfer, die von den Grafen von Calw gegründet wurden. Siedler durchstreiften vermutlich zwischen 1000 und 1100 den Nordschwarzwald, der damals noch den Charakter eines Urwaldes hatte, auf der Suche nach geeigneten Siedlungsstellen. Mit sicherem Instinkt entdeckten sie die leichte Mulde am Hang, der sich zum Nagoldtal hinzieht. Die Lage erfüllte alle Voraussetzungen zur Gründung eines Dorfes, vor allem war ausreichend Wasser vorhanden. Die Siedler rodeten den Wald und legten einen Weg an. Rechts und links des Weges entstanden Huben oder Hufen. Eine Hufe war ein Streifen von 80 bis 100 Meter Breite, der sich vom Weg bis in den Wald hinzog, eine sogenannte Waldhufe. Auf den 20 bis 40 ha großen Flächen entstanden Gärten, Wiesen und Felder. Der Wald gab das notwendige Holz. Die Häuser standen mit dem Giebel zur Straße und hatten an der Basis die gemauerten Ställe, darüber den Wohnbereich und oben die Speicher. Wegen der Brandgefahr stand das Backhaus abseits. Noch heute kann der aufmerksame Besucher beim Gang durch den Ort diese Siedlungsstruktur erkennen. Der Name Bieselsberg rührt vermutlich von einem Böselo her, der mit seiner Sippe hier auf dem Berg siedelte.

Wechselnde Besitzer

Urkundlich erwähnt wird Bieselsberg erstmals im Jahre 1148 im „Codex Hirsaugiensis“, dem Schenkungsbuch des Klosters Hirsau. Die Gräfin Uta vermachte den Ort „Böselsberg“ der Benediktinerabtei an der Nagold. Nun schweigen die Urkunden bis ins Jahr 1283 als Bieselsberg mit dem Amt Liebenzell an die Markgrafen von Baden kam. In deren Besitz blieb es mehr als 300 Jahre lang. 1603 wurde das Amt Liebenzell, zu dem unter anderen auch die Orte Bieselsberg und Schömberg gehörten, an Württemberg verkauft. Damals lebten im Ort 16 Einwohner die 190 Stück Vieh und über 100 Schafe hielten.

Bereits 1404 gehörte Bieselsberg zum Kirchspiel Schömberg. 1453 wurde es dann der Pfarrei Langenbrand zugeordnet. Heute bildet es mit Schwarzenberg eine eigene Pfarrei. Aus der schon 1744 erstmals erwähnten Kapelle zum „Heiligen Petrus“ ist durch mehrmalige Erweiterungen und Umbauten, die stolze Petruskirche entstanden. Sie konnte 1997 ihr 100jähriges Bestehen feiern. Durch die Gemeindereform im Jahre 1975 verlor Bieselsberg seine Eigenständigkeit und wurde Teilort der Gemeinde Schömberg.

Kriege und Katastrophen

Trotz seiner abgelegenen Lage blieb auch Bieselsberg nicht von Kriegeinwirkungen und Katastrophen verschont. Der 30jährige Krieg brachte durch Soldaten und Marodeure Seuchen, wie die Pest und die Ruhr ins Dorf, denen vor allem in den Jahren 1622 und 1626 viele Bieselsberger zum Opfer fielen. Mitte des 19. Jahrhunderts suchten gleich zwei Katastrophen die Bewohner heim. Eine Hungersnot im Jahre 1850, verbunden mit einem katastrophalen Wassermangel, führte zu einer Verarmung vieler Familien. Die Folge war eine Auswanderungswelle. Ein Großbrand im Jahre 1885 vernichtete 11 Gebäude, darunter das Rathaus. Am 15. April 1945, also schon fast am Ende des 2. Weltkrieges, wurden bei einem Fliegerangriff 6 Häuser und 12 Scheunen vernichtet, 6 Menschen kamen ums Leben.

Verpasste Chancen

In einem Bericht aus dem Jahre 1790 beklagte sich der Oberamtmann Heller aus Liebenzell, dass in Bieselsberg mehr Kurgäste seien als in Bad Liebenzell. Der Grund dafür sei eine Heilquelle, die bei den Badegästen sehr beliebt sei. Schon 1632 berichtete Johann Valentin Andreä, Dekan in Calw, an Herzog Eberhard III. von Württemberg, von der Heilung eines „Opilio“, der lange von der Lepra befallen und vom Wasser der Quelle geheilt wurde. „Gezählt wurden einmal 6000 Menschen, ein großer Teil davon Stumme, Taube, Lahme, Tölpel, Krüppel und Blinde“, so aufgezählt im Bericht des Dekans. Ein Bergrutsch verschüttete diese Heilquelle und es wurde nichts aus einem Bad Bieselsberg.

Der Gründer des Kurorts Schömberg, der Erfurter Kaufmann Hugo Römpler, wollte 1887 das Gasthaus zum Löwen kaufen, um hier in der reinen Schwarzwaldluft ein Luftkurhaus für Lungenkranke zu gründen. Als die Kaufverhandlungen fehlschlugen, kaufte Römpler das Gasthaus zum Hirsch in Schömberg. So kam es, dass Schömberg sich zum weltbekannten Lungenkurort entwickelte und nicht Bieselsberg.